Meine besonders begabte Tochter

Angela kam im Jahr 2003 mit Down-Syndrom auf die Welt. Ihr Vater erzählt, warum sie ein wunderbares Kind ist, von dem er täglich lernt.

Sevilla. Als wir nach Angelas Geburt erfuhren, dass sie Down-Syndrom hat, wussten wir zuerst nicht, was wir sagen oder tun sollten. In diesen Momenten steigen viele Zweifel auf. Wie geht man damit um? Was jetzt? Welche Zukunft erwartet diese Tochter? Und vor allem: Wie sollen wir vorgehen? Solche Kinder bringen ja keine Gebrauchsanweisung mit…

Einmal hörte ich folgenden Vergleich: So eine Situation sei, wie wenn man eine Reise nach Florenz plant und sich mit Begeisterung darauf vorbereitet hat - und auf einmal kommt im Flugzeug die Durchsage des Piloten, dass er statt in Florenz in Holland landen wird. Man hatte sich schon so auf Florenz gefreut! Dann gibt es nur zwei Optionen: Entweder sperrst du dich frustriert in dein Hotelzimmer ein und machst keinen Schritt hinaus. Oder du stellst dich um und sagst: Jetzt bin ich in Holland gelandet, also schau ich mir die Landschaft und Städte an. Und dann stellst du fest, wie viel Schönes und wunderbare Plätze dieses Land bietet!

Und so war es: Nach Momenten der Unsicherheit und einiger Tränen entschlossen wir uns, „Holland" kennenzulernen. Meine Frau und ich schauten unser kleines Mädchen an und sagten uns, auch wenn wir nicht wussten, wie: Das ist ihr Zuhause, Gott hat sie uns geschickt, es wird zu etwas Gutem sein ... wir werden es sehen. Weg mit negativen Gefühlen! Los, fangen wir an!

Dann bekamen wir Nachrichten, die uns Sorgen bereiteten: „Diese Kinder haben normalerweise einige organische Schäden (abgesehen von ihrer psychischen Behinderung), die als Herzleiden, Magenleiden, Erkrankung des endokrinen Systems etc. auftreten können." - „Es scheint, dass das Mädchen etwas am Herz hat, wir müssen das beobachten. In manchen Fällen schließt sich die Öffnung von selbst; sonst muss man es operieren."

Die Angst wurde größer. Die Untersuchungen ergaben, dass tatsächlich ein bedrohlicher Herzfehler vorlag. Nach einem Jahr riet man uns zur Operation, denn wenn man zu lange wartete, könnte es zu einem Überdruck in der Lunge und zu einer Herzinsuffizienz mit fatalem Ausgang führen. Nach der Operation begann es Angela besser zu gehen: Der Bluthochdruck verschwand, sie fing an, normal zu essen und wurde nicht mehr so müde bei den Übungen ihrer physikalischen Therapie.

Später stellte sich die Frage nach der Schule: Eine Sonderschule wählen oder versuchen, sie in eine normale Schule zu integrieren? Schließlich entschieden wir uns, sie nach Entreolivos zu schicken, die auch ihre Schwestern besuchten. Sie wurde von Eltern gegründet, die Mitglieder des Opus Dei sind wie ich. Der Lehrkörper ließ sich mit großem Einsatz auf diese neue Aufgabe ein, obwohl sie noch kaum Erfahrung in dieser Richtung hatten. Die Lehrer bekamen eine spezielle Fortbildung in der Anpassung des Lehrplans und der Lehrmaterialien an Angelas besondere Situation - ihre Integration wurde ein voller Erfolg!

In jenen Jahren nahmen wir mit der Down-Syndrom-Gesellschaft von Sevilla Kontakt auf. Der frisch ernannte Präsident bat um unsere Mithilfe. Seit acht Jahren bin ich nun dort tätig und habe viele andere Eltern kennengelernt, die in derselben Situation sind wie wir.

Der Verein hat mehr als 300 Mitglieder und unterstützt Kinder und Erwachsene mit Down-Syndrom, um ihnen möglichst alles zur Verfügung zu stellen, was sie für ihre Bildung und persönlichen Entwicklung brauchen: Frühbetreuung, Logopädie, schulische Unterstützung, Programme für selbständige Entfaltung, Entspannung und Freizeit für Jugendliche, Vorbereitung für die Integration in der Arbeitswelt und vieles mehr.

Der Verein ist außerdem ein großartiges Instrument, um Eltern in ihren Nöten und Zweifeln nahe zu sein: Wir tauschen Erfahrungen aus, geben Tipps und Kenntnisse weiter, wie wir unsere Kinder besser erziehen können. Da erfährt man viele, sehr erbauliche Geschichten, welch schwierige Situationen manche Eltern meistern. Die Wahrnehmung von Behinderung als einem unglücklichen Schicksal oder etwas Bedauernswertem, wie man sie normalerweise als Beobachter von außen hat, stimmt ja nicht, wenn es einem gelingt, die „kleine" Herausforderung, die sich uns damit stellt, mit positiver Einstellung anzupacken. Ich persönlich glaube, dass der Glaube an die Vorsehung Gottes dafür eine große Hilfe ist.

Ich mag die Bezeichnung behindert für Menschen mit Down-Syndrom gar nicht, denn auch wenn es richtig ist, dass ihnen beim Lernen vieles etwas schwerer fällt (sie sind wie kleine Schildkröten, die sich langsamer fortbewegen, aber mit Geduld und Ausdauer gelingt es ihnen, sehr weit zu kommen), haben sie andere Facetten, durch die sie deutlich besonders befähigt sind. Und zwar in den wichtigsten Aspekten des Lebens, die uns, die wir mit ihnen leben, so sehr helfen: die Güte, die Herzlichkeit, ihre Ehrlichkeit im Umgang ohne jede Verstellung, ihre Freude, ihre Unbefangenheit im Ausdruck ihrer Zuneigung, ohne Rücksicht darauf, was andere über sie denken, ihr Eifer sich zu bessern, ihre Art, sich über die einfachsten Dinge zu freuen und sie zu genießen usw. Ich lerne täglich neu dazu, wie ich selbst in diesen Aspekten wachsen kann.

Manche Leute fragen mich, was ich machen würde, wenn ich Angelas genetische Veränderung eliminieren könnte. Ohne lange nachzudenken antworte ich immer, dass ich sie so liebe, wie sie ist und nicht glaube, dass ich sie mehr lieben könnte, wenn sie anders wäre. Sie kann mit ihren Schwierigkeiten gleich glücklich oder leichter glücklich sein als ihre übrigen Geschwister, und sie hat große Qualitäten, die uns, die wir mit ihr zusammenleben, sehr helfen. Diese Kinder kommen mit einem besonderen „Klebstoff" auf die Welt, der die Familien mehr vereint, sie lehren uns, dankbarer zu sein für das, was wir haben, und – sie sind einfach nur zum Gernhaben!

Carlos Barrón Rivero