Betrachtungstext: 13. Mai – Unsere Liebe Frau von Fatima

Ein neues Aufblühen des Rosenkranzgebets – Der Friede ist Frucht von Gebet und Buße – Marias Herz triumphiert über die Sünde

DURCH DIE Erscheinungen Unserer Lieben Frau in Fatima markiert das 20. Jahrhundert einen Höhepunkt in der Geschichte der Marienfrömmigkeit. Wir schreiben das Jahr 1917; die Welt befindet sich an verschiedenen Schauplätzen tief in Kriegshandlungen verwickelt. Während rund vierzig Nationen verbissen versuchen, eine militärische Lösung herbeizuführen, zeigt die Jungfrau Maria in Portugal einigen Kindern den Weg zum wahren Frieden. Das Tagesgebet, das uns die Kirche heute vorlegt, fasst die Botschaft von Fatima zusammen: „Gott, du hast die Mutter deines Sohnes auch uns zur Mutter gegeben. Gewähre uns, dass wir in Buße und Gebet für das Heil der Welt verharren und von Tag zu Tag wirksamer zum Kommen des Reiches Christi beitragen.“1 Unsere Liebe Frau machte den drei Hirtenkindern klar, dass die Christen ein Leben des Gebetes und der Buße führen sollen, um den Frieden ihres Sohnes zu erlangen. Die Botschaft von Fatima hallt wie ein Echo von Jesu Worten zu Beginn seines öffentlichen Lebens wider: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium (Mk 1,15).

Nach ihrer Begegnung mit der Jungfrau Maria beteten Jacinta, Francisco und Lucia täglich den Rosenkranz und brachten Opfer dar. Ihre Treue zu Marias mütterlicher Bitte eröffnete vielen Menschen weltweit einen Weg der Hoffnung. Von Fatima aus erlebte das Rosenkranzgebet eine neue Blüte. Heutzutage suchen viele Menschen darin Zuflucht und fügen nach jedem Gesätzchen das Gebet hinzu, das die Mutter Christi die Hirtenkinder lehrte: „O mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen.“ Als Christen finden wir großen Trost im Rosenkranzgebet: Mütter und Väter bitten darin inständig um die Bekehrung ihrer Kinder, Arbeiter suchen in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten darin Hilfe, Jugendliche suchen darin Kraft, um die Freude des Evangeliums zu leben und zu teilen ... Es ist ein Gebet, das das Leben vieler Menschen wendet und auch unser eigenes Leben wenden kann.


GEMÄSS DEN WORTEN der Jungfrau von Fatima wollen wir lernen, in Gebet und Buße für die Sünden auszuharren. Das Evangelium erinnert uns an Jesu Worte, dass wir allzeit beten und darin nicht nachlassen sollten (Lk 18,1). Und Paulus bittet die Christen: Freut euch in der Hoffnung, seid geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet (Röm 12,12). Der Friede entspringt einem Herzen, das an die Macht des Gebetes glaubt und auf Gottes Kraft vertraut.

Der Herr schaut mit Wohlgefallen auf unser Gebet. In seinen Händen liegt die Menschheitsgeschichte einschließlich unseres persönlichen Schicksals und dem unserer Mitmenschen. In der Offenbarung des Johannes wird das Bild des Weihrauchdufts verwendet, um das Gebet der Heiligen zu beschreiben: Aus der Hand des Engels stieg der Weihrauch mit den Gebeten der Heiligen zu Gott empor (Offb 8,4). Der Herr erhört unser fortwährendes Flehen und handelt in der Geschichte, um sie zu ihrer Vollendung zu führen. Daher sollten wir lernen, ausdauernd zu sein im Gebet. Maria lehrt uns, ihrem Sohn zu vertrauen, auch wenn es manchmal so scheint, als würde er uns nicht hören. Auch bei der Hochzeit in Kana schien es zunächst, als würde Jesus nicht eingreifen wollen, doch die Jungfrau gab nicht auf. Sie sah in den Worten ihres Sohnes keine Aufforderung zur Untätigkeit, sondern eine Einladung zur Kühnheit. Darum preschte sie vor und wies die Diener an: Was er euch sagt, das tut (Joh 2,5). Und sie erwirkte das Wunder.

„Maria, Meisterin des Gebetes. – Sieh, wie sie ihren Sohn in Kana bittet. Wie sie ohne Entmutigung beharrlich auf ihrer Bitte besteht. – Welchen Erfolg sie hat. – Lerne daraus.“2 Dieser Rat des heiligen Josefmaria kann uns helfen, den Herrn um viele Gaben zu bitten.


DIE ANRUFUNG der Jungfrau von Fatima ist untrennbar mit der Verehrung des Unbefleckten Herzens Marias verbunden. Ihm vertraute Papst Johannes Paul II. in einem großen Akt am Petersplatz im Jahr 1984 die Menschen und Völker an. Joseph Kardinal Ratzinger sah in dem, was unter dem Stichwort „Geheimnis von Fatima“ berühmt geworden ist, eine tröstende Verheißung. Marias Worte zitierend, schrieb er: „,Mein Unbeflecktes Herz wird siegen.‘ Was heißt das? Das für Gott geöffnete, durch das Hinschauen auf Gott rein gewordene Herz ist stärker als Gewehre und Waffen aller Art. Das ,Fiat‘ Marias, das Wort ihres Herzens, hat die Weltgeschichte gewendet, weil es den Retter eingelassen hat in diese Welt – weil im Raum dieses Ja Gott Mensch werden konnte und es nun ewig bleibt.“3 Damit habe die Freiheit zum Bösen nicht mehr das letzte Wort.

Die Erscheinungen der Jungfrau in Fatima sprechen von einer Gefahr, in der sich die Menschheit befindet, wenn sie aufhört zu beten. Unsere Liebe Frau möchte jedoch nicht, dass wir in eine pessimistische Sicht der Weltgeschichte fallen, sondern dass wir unsere Kräfte zum Guten mobilisieren, um die Sünde abzuwenden und die Sünder zu retten. Ihr Herz wird triumphieren. Kardinal Ratzinger betont dies: „Die Vision zeigt die Gegenkraft zur Macht der Zerstörung ‒ zum einen den Glanz der Muttergottes, zum anderen, gleichsam aus ihm hervorkommend, den Ruf zur Buße. Damit wird das Moment der Freiheit des Menschen ins Spiel gebracht: Die Zukunft ist keineswegs unabänderlich determiniert, und das Bild, das die Kinder sahen, ist kein im voraus aufgenommener Film des Künftigen, an dem nichts mehr geändert werden könnte. Die ganze Schauung ergeht überhaupt nur, um die Freiheit auf den Plan zu rufen und sie ins Positive zu wenden.“4

Unser einfaches und vertrauensvolles Gebet verpflichtet uns gegenüber der Geschichte; es geht hier weder um die Naivität jener, die die Probleme nicht sehen, noch um die Stumpfheit derjenigen, die nur ihr Gewissen beruhigen wollen. Die Anrufungen der Lauretanischen Litanei verbinden uns beispielsweise mit den leidenden Menschen: den Kranken, den Sündern, den Migranten usw. Indem wir für sie beten, fühlen wir uns mit Gottes Hilfe verpflichtet, ihnen Trost zu spenden. So wandte sich der selige Alvaro del Portillo 1985 an die Jungfrau von Fatima: „Wir wollen uns in dein Unbeflecktes Herz versenken. Auf diese Weise werden wir die Freude und den Frieden der Kinder Gottes erfahren. Alles, was dir Kummer bereitet, soll auch uns schmerzen. Und tief in dein liebenswürdigstes Herz versenkt, wirst du uns in das deines Sohnes versenken.“5


1 Römisches Messbuch, Tagesgebet, Gedächtnis der seligsten Jungfrau Maria von Fatima.

2 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 502.

3 Joseph Ratzinger, Theologischer Kommentar, Kongregation für die Glaubenslehre, Die Botschaft von Fatima, 26.6.2000.

4 Ebd.

5 Sel. Alvaro del Portillo, Gebet in Fatima, 15.11.1985.